Am 21. September 1956 kippt ein Senkkasten der im Bau befindlichen Severinsbrücke und begräbt fünf Arbeiter, die in dem zukünftigen ersten Brückenpfeiler sterben. Fünf? Oder vielleicht mehr? Wie viele der Gastarbeiter tatsächlich am Boden des Rheins das Betonfundament für den Brückenpfeiler vorbereitet haben, als die Glocke über ihnen einbricht und sie verschütt gehen, ist bis heute nicht geklärt. Ein Gerücht hält sich, dass mindestens noch ein Arbeiter in dem Betonfundament liegt und niemals geborgen wurde.
Die Lesungsperformance von Son Lewandowski verflechtet in Form eines literarischen Essays Materialien zu dem Brückenbau und dem Unfall mit fiktionalen Textteilen, um so eine Architektur des Verschüttgehens zu zeichnen. Dokumente aus dem Kölner Stadtarchiv werden mit lokalpatriotischen Berichterstattungen über den Brückenbau und der Eröffnung der Brücke kontrastiert, die den Unfall vergessen machen.
Dabei baut sich in die Recherche der Dokumente eine zusätzliche Ebene des Verschüttgehens ein, wenn diese aus den prekären Beständen des 2009 eingestürzten Stadtarchivs kommen, und zu großen Teilen noch nicht restauriert oder in schlechter Verfassung sind. Auf fiktionaler Ebene wird dem Unfall und dem Vergessen der verunfallten Gastarbeiter Raum gegeben.
Die dokumentarischen und literarischen Elemente des Textes werden in einer literarischen Soundcollage und Lesungsperformance am 9. September 2023 an der Severinsbrücke zusammengebracht.
Über Brücken – Bridging ist ein Performance- und Ausstellungsprojekt im öffentlichen Raum um und auf den Kölner Stadtbrücken. Zwischen September 2022 und September 2023 findet das Programm an verschiedenen öffentlichen Orten Kölns statt, die im Bezug zu den Brücken stehen und mit künstlerischen Arbeiten bespielt werden. Die Kölner Brücken sind (historische) Symbole für den Kölner Stadtwandel und bieten Diskussions-fläche im Bezug auf Ausbau und Erhalt ihrer Existenz als strukturgebende Elemente der Stadt.